Die Christuskirche – ein 60jähriger Traum in Weiß
(gekürzte Version des Artikels von Dr. Jürgen Henkel, zuerst erschienen in der Frankenpost am 16.04.2022)
Am 23. April 1962, dem damaligen Ostermontag, wurde die Christuskirche Selb eingeweiht.
Seit 1952 gibt es Gottesdienste am Vorwerk – gleich noch ein Jubiläum: 70 Jahre evangelisches Gottesdienstleben in dem Selber Stadtteil. So fand am 11. Mai die erste Feier in der Wirtschaft „Spannruft“ statt. Dann starteten rasch die Initiativen für einen Kirchenbau. Im Juni desselben Jahres wurde ein Kirchbauverein gegründet mit dem Vereinszweck „Bau einer ‚Christuskirche‘.“ Wie so oft bei Kirchenbauten war terminlich aber der Wunsch der Vater des Gedankens. So war schon für 1954 der Baubeginn geplant. Doch zur Grundsteinlegung durch Dekan Marx kam es erst am 30. April 1961. Zwischenzeitlich fanden Gottesdienste noch seit 1956 im damals eingeweihten Löhe-Haus statt.
Ganz spannende Hintergründe schildert die Urkunde der Grundsteinlegung. Dort heißt es unter anderem: „Nach der Einweihung des Löhehauses am 11. November 1956 wurden die Gottesdienste im Saal des Kindergartens gehalten. Sie erfreuten sich eines ständig zunehmenden Besuchs, der bewies, wie notwendig für diesen Gemeindeteil der Bau einer Kirche war.“
Die Gemeinde war zu jener Zeit übrigens noch nicht eigenständig. Am 8. Juli 1957 wurde für das Vorwerk ein eigener Sprengel als vierte Pfarrstelle der Stadtkirche errichtet. Erst 1987 wurde die Gemeinde der Christuskirche zur selbständigen Pfarrei. Die Urkunde hält dazu fast schon pathetisch fest: „Im Laufe der letzten Jahre entfaltete sich auf dem Gebiet des ehemaligen Vorwerks eine rege Bautätigkeit, die Hunderten von Familien neue und bessere Wohnmöglichkeiten gab. Ihre kirchliche Versorgung verlangte gebieterisch den Bau einer Kirche.“
Nach der Erteilung der kirchenaufsichtlichen Genehmigung durch den Landeskirchenrat am 29. November 1960 ging alles dann allerdings fast schon in Windeseile voran. Noch im Dezember konnte mit den Erdarbeiten für das von dem Architekten Horst Rudorf aus Hof geplante Kirchenbauprojekt begonnen werden, im April 1961 folgte dann schon die Grundsteinlegung. Am 5. April 1962 wurden die Glocken eingeholt. Am 23. April weihte Oberkirchenrat Flurschütz als Kreisdekan von Bayreuth schließlich die Kirche ein. 1964 folgte dann noch die Weihe der Orgel.
Die künstlerische Ausgestaltung der Christuskirche ist schlicht, aber konzentriert und entspricht der Kirchenkunst jener Zeit. Die Altarinsel mit dem Steinaltar aus Juramarmor und die Kunstwerke in Holzschnitttechnik von Hubert Distler ziehen die Blicke von Kirchenbesuchern auf sich. Das Kunstwerk auf dem Altartisch zeigt den gekreuzigten Christus, die Geburt Jesu und die
Abendmahlsgaben, Flammenmotive erinnern an das Pfingstwunder. Über dem Altar befindet sich vor der gelben Ostersonne ein großes Holzkreuz mit Passionsmotiven. Es zeigt den in sich gekehrten betenden Christus, die schlafenden Jünger, den erduldeten Judaskuss und den majestätischen Schmerzensmann.
Altar, Kanzel und Taufstein bilden eine optische Einheit. Bei einer Kirchenrenovierung 1988 ergänzte Hubert Distler an der Emporenbrüstung Darstellungen der Schöpfungsgeschichte, das Leben und Sterben Christi sowie biblische Szenen. Ein weiteres Kunstwerk ist das bunte Glasfenster mit Taufmotiven von Gerd Jähnke hinter dem Taufstein. Die 1964 eingeweihte Orgel hat 23 klingende Register, zwei Manuale und ein Pedal und zählt im Prospekt 1958 Pfeifen. 2011 gab es eine Sanierung der Fassade, 2012 eine energetische Sanierung des Gemeindesaals.
Die Kirchengemeinde der Christuskirche hat immer schon eigenständige Akzente gesetzt. So wurde früh das Umweltzertifikat „Grüner Gockel“ der Landeskirche erworben. Auch Kirchenkaffees und ein monatlicher „besonderer Gottesdienst“ prägen das Gemeindeleben. Das seit 2014 amtierende Pfarrersehepaar Johannes und Sandra Herold setzen mit Gottesdiensten am Samstagabend und dem Engagement der Kirchengemeinde gegen den Klimawandel weiterhin eigene Impulse. Die Festivitäten zum Kirchenjubiläum sind für das erste Juli-Wochenende geplant, rund um das traditionelle Sommerfest der Christuskirche.
Pfarrerin Sandra Herold kündigt für heuer auch noch einen Innenumbau an. „Die Gemeinde, die schon immer auf Gemeinschaft – etwa Mittagessen nach dem Gottesdienst und Osterfrühstück – setzt und neue Formen ermöglichen will, passt dazu den Kirchenraum an. Das Kirchengebäude hat die Funktion, Gemeinschaft zu ermöglichen und auf neue Bedürfnisse der Menschen einzugehen. Da muss man immer wieder schauen, welche Gebäudestruktur der Gemeinschaft am besten ermöglicht.“